Sie sind hier: Erinnerungen 50 Jahre Mauerbau  
 ERINNERUNGEN
Weihnachten 1945
50 Jahre Mauerbau

50 JAHRE MAUERBAU
 

50 Jahre sind seit dem Mauerbau vergangen.

Es wurde viel geschrieben und dem Tag gedacht, meist von Leuten, die sich gar nicht so direkt an diesen Tag erinnern können.
Ich erinnere mich noch sehr genau und deshalb werde ich hier davon erzählen.

Es war ein schöner Tag, für mich persönlich einer von vielen glücklichen Tagen der letzten Wochen.
Am 1. Juli hatten wir unsere Neubauwohnung bezogen. Wir, das war unsere kleine Familie, mein Mann und unser Detlef. 7 Jahre hatten wir eine winzige Wohnung gehabt, ohne Wasserabfluss und mit Klo im Treppenhaus.
Jetzt bezogen wir mit neuen Möbeln eine 2 1/2 Zimmer Wohnung in einer schönen Wohngegend. Hier wohne ich noch heute, allerdings allein.
Hinzu kam, ich war hochschwanger, am 16.8. sollte unser 2. Kind geboren werden, es lief alles bestens. Denn als Detlef sich ansagte war ich darüber gar nicht glücklich , jetzt waren wir voller Vorfreude.
Am 18. August kam Thomas gesund zur Welt, wir waren nur glücklich.

Am 13.8. waren wir zu einer Familienfeier eingeladen, durch eine Nachbarin hörten wir von dem Mauerbau. Vorstellen konnte man es sich nicht, denn ein Fernseher war damals noch Luxus. Außerdem war Berlin weit weg.
Allerdings die innerdeutsche Grenze war uns nicht fremd, lag doch mein Heimatort an der Elbe in der 5 KM Sperrzone. Seit meine Schwester und ich eine Lehrstelle in Thüringen angenommen hatten, benötigten wir für unsere jährlichen Besuch eine Aufenthaltserlaubnis und mussten uns bei der Polizei an- und abmelden.

Wir hatten keine Ahnung, was uns noch bevorstand.

1945 wurde Mecklenburg Ostzone und zu den ersten Amtshandlungen der Kommunisten gehörte es, Eigentum zu enteignen.
Der Betrieb, den meine Großeltern aufgebaut hatten und von unseren Eltern weiter geführt wurde, war innerhalb weniger Jahre herunter gewirtschaftet .
Nach 10 Jahren bestand er nicht mehr.

1951 hatten meine Eltern ein kleines Blumengeschäft neu eröffnet.
Nach 10 Jahren hatten sie alles neu renoviert, jetzt, bevor es wieder aufgemacht wurde, leisteten sich unsere Eltern eine Reise zu ihren Töchtern, sie wollten den kleinen Enkel und die schicke Wohnung sehen und gleichzeitig unseren Großen bei seiner Schuleinführung begleiten, bevor sie zur Familie meiner Schwester weiter fuhren.

In meiner Erinnerung waren diese Wochen die glücklichsten meines Lebens, denn von den Eltern kamen nach ihrer Rückfahrt nur gute Briefe. Ihre alten Kunden begrüßten sie freudig in ihrem kleinen Laden.
Und auch für uns gab es nur eine schöne Zeit. Ich hatte Zeit für meine beiden Jungen, in der neuen Wohnung kam ich mir vor wie in einem Film.

Doch diese glückliche Zeit änderte sich schlagartig.

Anfang Oktober erhielten wir ein Telegramm aus Güstrow, einer Stadt, zu der wir kaum Verbindung hatten.
Unsere Eltern teilten uns mit, dass sie gesund wären, alles Nähere käme brieflich.

Diesen Brief meiner Mutter habe ich gut aufgehoben und wenn ich ihn lese kommen mir die Tränen. Sie teilt uns mit, dass Beide zwangsausgesiedelt wurden, innerhalb weniger Stunden mussten sie unseren Heimatort, in dem sie geboren und aufgewachsen waren, ohne Angabe von Gründen verlassen.
Lastwagen der Polizei standen im Morgengrauen bereit.
Meine Eltern wurden umgesiedelt in ein 80 Seelendorf in Mecklenburg. Ihr neues Zuhause war eine Tagelöhnerkate in einem ehemaligen Gut.

Vater lebte dort noch knapp 5 Jahre, er durfte nicht einmal in der Heimaterde beigesetzt werden.

Das sind meine Erinnerungen an den Mauerbau und die Zeit danach.
Ich habe sie in meinen persönlichen Erinnerungen aufgeschrieben, damit auch meine Enkel nachlesen können, wie viel Leid manche Menschen ertragen mussten.